Erstes Interview mit Prof. Thomas Vollmer
Herr Professor Vollmer, 40 Jahre BAG ElektroMetall – wie lange sind Sie schon dabei?
Prof. Thomas Vollmer: Das kann ich gar nicht mehr genau sagen. Ich kann mich aber erinnern, dass ich während meines Berufspädagogikstudiums erstmals Kontakt mit der BAG hatte. Anlässlich des 40-jährigen Bestehens habe ich gerade meine gesammelten Ausgaben der BAG-Zeitschrift lernen&lehren durchgesehen und festgestellt, dass mein ältestes Heft die Nummer 4 von 1984 ist. Als Mitglied bekommt man diese Zeitschrift vierteljährlich zugeschickt. Demnach bin ich jetzt schon fast 40 Jahre mit der BAG verbunden.
Wie sah dieser erste Kontakt mit der BAG aus?
Prof. Thomas Vollmer: Mein Studium der Berufspädagogik habe ich im Anschluss an Ausbildung, Berufsarbeit, Fachoberschule, Ingenieurstudium und Zivildienst begonnen. Ich hatte also schon reichlich Lernerfahrungen gesammelt und begann als angehender Lehrer alle diese Erfahrungen zu reflektieren. Meine Schulerfahrungen waren sehr unterschiedlich: Der Radio- und Fernsehtechnik-Unterricht bei meinem Lehrer Otto Schneider, der auch Schulbücher schrieb und einer der Gründungsväter der BAG Elektrotechnik war, mich interessiert, weil er es geschafft hat, das Wesen technischer Geräte und ihrer Funktionsweise zu veranschaulichen und mir somit begreifbar zu machen.
Demgegenüber standen der Unterricht der Fachoberschule und die Vorlesungen während des Ingenieurstudiums in einem extremen Kontrast, weil ich dort lediglich mit abstrakten Mathematisierungen von technischen Funktionen und naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten konfrontiert wurde. Die Übertragung auf technische Geräte und deren Anwendung wurde uns Lernenden überlassen – was vielen nicht wirklich gelang.
Was haben Sie daraus geschlossen?
Prof. Thomas Vollmer: Über diese Erfahrungen habe ich mit Willi Petersen, meinem Mentor während meines Schulpraktikums, später Professor an der Universität Flensburg, intensiv diskutiert. Er hat mich über die BAG Elektrotech-nik und die Zeitschrift lernen&lehren informiert. Hier wurde die damals üblicherweise kaum vorhandene Verbindung des fachsystematischen Berufsschulunterricht und der betrieblichen Ausbildungspraxis als nicht mehr zeitgemäß kritisiert und es wurden alternative didaktische Konzeptionen vorgestellt, bspw. Projektunterricht, Integration von Praxisbezügen oder Handlungsorientierung. Solche Innovationen haben mich interessiert. Auch die Verbreitung der in jener Zeit aufkommenden Mikroelektronik und die Auswirkungen auf die Arbeitswelt und die Berufsbildung wurden in lernen&lehren diskutiert. Das fand ich spannend, dadurch habe ich wichtige Impulse bekommen für meine weitere Entwicklung. Und ich bin natürlich in die BAG eingetreten!
Die Zeitschrift lernen&lehren ist bis heute ein Hauptangebot der BAG für die Mitglieder. Was bietet sie für Lehrende?
Prof. Thomas Vollmer: Dazu muss man wissen, dass fast alle der acht Gründungsväter der BAG Elektrotechnik selbst Lehrende an beruflichen Schulen waren – deshalb stand die Unterrichtspraxis von Anfang an im Zentrum unserer Mitgliederzeitschrift. Die Schwerpunktthemen der 40 Jahre ihres Bestehens sind breit gefächert. Dies wird deutlich, wenn man das Heftarchiv online durchstöbert, in dem die Hefte nach einem Jahr kosten-frei für jeden Interessierten verfügbar sind. Die letzten Ausgaben hatten bspw. Hybrides Lernen, Berufs-bildungsprojekte, Berufliches Lernen während der Corona-Pandemie, Aktuelle Herausforderungen im Handwerk SHK und Technologien der Energiespeicherung als Schwerpunkt. Die Ausgaben beinhalten allgemeinere Einführungs- und konkrete Praxisbeiträge des jeweiligen Heftschwerpunktes sowie davon unabhängige Forumsbeiträge. Unsere Mitglieder erhalten die Zeitschrift alle drei Monate kostenlos zugeschickt.
Welche Fort- und Weiterbildungsangebote hält die BAG außerdem für Ihre Mitglieder bereit?
Prof. Thomas Vollmer: Bei unseren jährlichen Fachtagungen stehen die aktuellen Themen aus Berufsbildungspraxis und -wissenschaft im Zentrum. Außerdem gibt es Möglichkeiten des fachlichen Austauschens und der Vernetzung unter den Mitgliedern. Die BAG-Fachtagungen finden alle zwei Jahre im Rahmen der Hochschulta-ge für Berufliche Bildung (HTBB) an einer Hochschule statt und in den Zwischenjahren an einer berufli-chen Schule bundesweit an verschiedenen Orten. Die Tagungen beginnen mit Plenumsvorträgen von Experten aus Verbänden, Hochschule, Berufsbildungseinrichtungen usw., die über aktuelle Entwicklun-gen und Herausforderungen sprechen. In der zweiten Hälfte folgen parallele Workshops mit Beiträgen aus Bildungspraxis und -forschung. Außerdem gehört zum Tagungsprogramm eine Abendveranstaltung mit der Möglichkeit des informellen Austausches. Die Tagungsbeiträge werden später in einer Buchveröffentlichung publiziert und sind somit auch für Interessierte verfügbar, die nicht an einer Tagung teilnehmen konnten. Neben diesen jährlichen Fachtagungen haben wir auch regionale Fortbildungstagungen angeboten, wenn es einen Bedarf gab, bspw. in der Zeit, als das Lernfeldkonzept in der Berufsschu-le etabliert wurde. Die letzte Regionaltagung mit dem Thema „Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Auf welche Zukunft bereitet Berufsbildung vor?“ fand 2018 in Hamburg statt. Solche Regionaltagungen können auch weiterhin organisiert werden, wenn ein Bedarf besteht.
Sie sind seit 20 Jahren im Vorstand der BAG aktiv, seit fünf Jahren als Vorsitzender. Wie sieht Ihre Arbeit für die BAG heute aus?
Prof. Thomas Vollmer: In den letzten beiden Jahren war unsere Arbeit sehr durch die Corona-Pandemie geprägt. Zweimal ha-ben wir unsere eigentlich jährlich stattfinden Fachtagungen nicht wie geplant durchführen können. Im letzten Jahr haben wir stattdessen recht kurzfristig eine Online-Tagung mit dem situationsadäquaten Titel „Hybrides Lernen: ein Zukunftskonzept für die gewerblich-technische Berufsbildung – Innovation nicht nur für Krisenzeiten“ auf die Beine gestellt. Dieses Jahr haben wir unsere Tagung „All Days For Future! Energievielfalt in der gewerblich-technischen Berufsbildung“ in Hamburg vom März auf den 16. und 17. September 2022 verschoben, in der Hoffnung, dass die Situation dann eine Präsenzveranstal-tung zulässt. Dies waren besondere Herausforderungen, aber wir arbeiten in der BAG in einem gut funk-tionierenden Team routiniert zusammen, so dass sich auch solche Schwierigkeiten bewältigen lassen.
Wie geht es im Jubiläumsjahr jetzt weiter?
Prof. Thomas Vollmer: In den 40 Jahren ihres Bestehens hat die BAG immer wieder mit einer Vielzahl von Veranstaltungen über Reformen der beruflichen Aus- und Weiterbildung informiert, kritisch-konstruktive Diskussionen über Probleme initiiert und mit Stellungnahmen Einfluss genommen. Einen Überblick über 40 Jahre BAG gibt eine lernen&lehren-Sonderausgabe, die in Kürze erscheint. Danach bereiten wir die angesprochene Fachtagung im September vor, auf die wir uns alle schon sehr freuen.
Was wünschen Sie sich für die BAG in den nächsten 40 Jahren?
Prof. Thomas Vollmer: Viele neue Mitglieder, natürlich! Wir freuen uns über jede und jeden, die Mitglied werden und sich ein-bringen wollen, davon lebt die BAG ElektroMetall – sie sind herzlich eingeladen.
Thomas Vollmer (68) ist Vorsitzender der BAG. Der pensionierte Professor für Be-rufspädagogik blickt auf ein vielseitiges Berufsleben zurück, das von Anfang an eng mit der Bundesarbeitsgemeinschaft und ihren Themen verbunden war. Nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker und zum Radio- und Fernsehtechniker war er in diesem Berufsfeld tätig, bevor er sich für eine weitere schulische Karriere und daran anschließend ein Ingenieurstudium und ein Studium der Berufspädagogik mit den Fächern Elektrotechnik und Gesellschaftslehre ent-schied. Seine auf das Studium folgende wissenschaftliche Tätigkeit führte ihn im Sommer 2000 zur Universitätsprofessur für „Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichti-gung der Berufspädagogik, Schwerpunkt: Didaktik der beruflichen Fachrichtungen Metalltech-nik / Elektrotechnik“ an der Universität Hamburg, die er bis zu seiner Pensionierung 2017 in-nehatte.
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