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Ein Interview mit Autor Marcus Mesch

SOZIALPÄDAGOGIK
04.09.2022
Ein Interview mit Autor Marcus Mesch

Ein neues Lehrbuch beschäftigt sich mit Geschichte, Theorie und Praxis der verbandlichen und offenen Kinder- und Jugendarbeit. Autor Marcus Mesch erklärt im Interview, warum er diese in der Erzieherausbildung oft vernachlässigten Arbeitsfelder besonders spannend findet, welche pädagogischen Herausforderungen speziell die Arbeit mit Jugendlichen mit sich bringt und warum er angehenden sozialpädagogischen Fachkräften zum ehrenamtlichen Engagement zum Beispiel im Rahmen von Ferienfahrten rät.

Herr Mesch, Sie haben mit Ihrem Team ein Buch zur verbandlichen und offenen Kinder- und Jugendarbeit vorgelegt. Warum die Konzentration auf den außerschulischen Bereich?
Marcus Mesch: Diese Arbeitsfelder werden in der Ausbildung von Erziehern und Erzieherinnen im Vergleich zur Hochschule vielfach nur randständig behandelt. Auch die Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen erfährt teilweise noch verhältnismäßig wenig Berücksichtigung. Dies lässt sich auch daran ablesen, wie minimalistisch diese Themen in manchen Lehrbüchern aufgegriffen werden. Meine Mitautorinnen beklagten, dass es auch für ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter/-innen in diesen Arbeitsfeldern wenig Bücher gibt, die einen Überblick über die praktischen und theoretischen Aspekte der komplexen Arbeitsfelder bieten. So ist die Idee zum Buch entstanden – das Lehrbuch ist das Produkt einer didaktischen Verknüpfung der Lernorte Schule und Praxis, ganz so, wie es die KMK empfiehlt.

Was macht die Kinder- und Jugendarbeit aus Ihrer Sicht zu einem besonders spannenden Arbeitsfeld für angehende Erzieher/-innen?
Marcus Mesch: Besonders spannend gestalten sich aus meiner Perspektive die Beziehungsarbeit und die pädagogische Freiheit, welche die Grundlage dafür bietet, sich intensiv auf die Lebenswelten und Interessen, Bedürfnisse und Bedarfe der Kinder und Jugendlichen einlassen zu können. Auch das Prinzip der Offenheit schafft unvergleichbar viele Gestaltungsspielräume.

Wo liegen besondere pädagogische Herausforderungen in der Arbeit mit Jugendlichen?
Marcus Mesch: Die größten pädagogischen Herausforderungen ergeben sich meiner Ansicht nach weniger aus dem Alter, als vielmehr aus einer belasteten und belastenden Lebenswelt, wie auch aus den sozialräumlichen Bedingungen des Aufwachsens und der sozialpädagogischen Arbeit. Eine Herausforderung in der Arbeit mit Jugendlichen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit besteht darin, das richtige Maß zwischen Nähe und Distanz zu finden. Generell besteht in den Arbeitsfeldern der Kinder- und Jugendarbeit eine für die Beziehungsarbeit wichtige Lockerheit im Umgang miteinander, eine spezifische Art des Zusammenseins. Die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen gehören teilweise der gleichen Generation an wie die Jugendlichen, zeigen ein ähnliches Freizeitverhalten. Sozialpädagogische Fachkräfte müssen in der macht- und hierarchiearmen Kinder- und Jugendarbeit kommunikativ, lösungsorientiert und verbindlich agieren können, müssen bereit sein, sich auf die unterschiedlichen Lebenswelten empathisch verstehend einzulassen.

Empfehlen Sie die ehrenamtliche Tätigkeit in Vereinen, Verbänden? Weshalb?
Marcus Mesch: Als Demokrat sehe ich es als zwingend notwendig an, sich ehrenamtlich in Vereinen, Verbänden, Parteien oder Gewerkschaften, in Lobby- oder Selbsthilfe-Organisationen zu engagieren! Historisch zeigt sich, dass Menschen politisch und gesellschaftlich nur etwas bewirken können, wenn sie sich mit anderen zusammentun, sich organisieren. Außerdem ist unsere demokratische Zivilgesellschaft darauf angewiesen, dass sich Menschen bereit erklären, Verantwortung für das gesellschaftliche Zusammenleben zu übernehmen. In Vereinen engagieren sich Menschen FÜR ETWAS – und nicht wie viele Kommentatoren in den sozialen Medien GEGEN ETWAS. Emojis, Abwertungen und Hasskommentare im Internet zeugen nicht von der Bereitschaft, etwas konstruktiv ändern zu wollen. Mir ist ein Satz in Erinnerung geblieben, der Albert Einstein zugeschrieben wird, was ich aber nicht überprüft habe: „Auf Veränderung zu hoffen, ohne selbst etwas dafür zu tun, ist wie am Bahnhof stehen und auf ein Schiff zu warten.“ Besser kann man es nicht ausdrücken. Nur wer meint, alles sei super und sowieso unveränderbar, benötigt keine Vereine!

Ehrenamtlich tätige Jugendliche betreuen Jugendliche, z. B. auf Ferienfahrten. Worin liegen die Chancen für beide?
Marcus Mesch: Zuerst einmal kann ich allen angehenden sozialpädagogischen Fachkräften nur ans Herz legen, eine Ferienfahrt zu betreuen! Kinder und Jugendliche sind in den meisten anderen pädagogischen Arbeitsfeldern mit Fachkräften konfrontiert, die dafür bezahlt werden, entlang eines gesetzlich festgelegten Rahmens, entlang von Entwicklungsberichten oder Hilfeplänen, mit ihnen „zu arbeiten“. In der Schule wird das Zusammensein von Jugendlichen durch Lehrkräfte und Noten geprägt. Jugendliche werden als Kunden/Kundinnen angesprochen und umworben, zum Beispiel von kommerziellen Jugendreiseanbietern. Dementgegen erleben Jugendliche als Teilnehmende einer Ferienfahrt eine Art des Miteinanders, welches durch die Werte der Organisation geprägt ist. Gesellschaftliche Werte und Ideale werden somit erfahrbar und dadurch emotional bedeutsam. Jugendliche werden als Person anerkannt, erleben sich als aktiv Mitgestaltende. Jugendliche bzw. junge Erwachsene übernehmen als Teamer/Teamerinnen in ihrer Freizeit Verantwortung, ohne davon einen monetären Vorteil zu haben, ohne entlang eines Arbeitsvertrages dazu gezwungen zu sein. Die Teilnehmenden erleben am konkreten Vorbild, dass freiwilliges und ehrenamtliches Engagement Spaß macht, dass es Spaß macht, mit anderen die Freizeit zu verbringen und sich für eine Sache zu engagieren. Freizeit, Spaß und Politik werden als zusammengehörig erlebt. Es wirkt sich positiv auf das Selbstbild und Selbstbewusstsein aus, Anerkennung zu erhalten, ernst genommen zu werden, Verantwortung übertragen zu bekommen, Selbstwirksamkeitserfahrungen zu machen, Gestaltungsräume zu bekommen, Stress erfolgreich zu meistern, leitende und anleitende Aufgaben zu übernehmen, mit anderen im Team zusammenzuarbeiten, als Vorbild angesehen zu werden.

Marcus Mesch (45) ist Erziehungswissenschaftler, Historiker und Studienrat in der Fachrichtung Sozialpädagogik mit dem Fach Wirtschaft/Politik und Gemeinschaftskunde. Derzeit lehrt er am BBZ in Mölln. Ihn verbindet eine langjährige, ehrenamtliche Tätigkeit mit der verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit und eine ehemals berufliche Tätigkeit mit der offenen, mobilen Kinder- und Jugendarbeit.

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