Autoreninterview mit Yvonne Grüner und Petra Stolle

Ein Buch über pädagogische Dilemma-Situationen – wie kamen Sie auf diese Idee?
Yvonne Grüner: Über die Jahre haben wir im Unterricht immer wieder gehört, wie Studierende von Situationen aus der Praxisberichteten, in denen sie einfach nicht weiterkamen. Oft konnten sie als Berufsanfänger/-innen in diesen Situationen nicht einschätzen, welche Lösungswege sich anboten und welche Auswirkungen damit verbunden waren, und trauten sich deshalb keine Entscheidungen zu.
Petra Stolle: Gerade in den ersten Jahren als Sozialassistent oder Sozialassistentin bzw. als Erzieher oder Erzieherin fehlt oft der Weitblick in Bezug auf das eigene pädagogische Handeln. Wir wollen mit unserem Unterrichtsmaterial den Blick der Studierenden ausdehnen und ihren Mut zum Handeln stärken.

Mit welchen Situationen konfrontieren Sie die Studierenden?
Petra Stolle: Es geht um pädagogische Zwickmühlen-Situationen, wie sie im Kita-Alltag vorkommen können. Unsere Protagonisten sind stets pädagogische Mitarbeiter/-innen, die in scheinbar unlösbare Kontexte mit Kindern, Eltern, Kollegen oder Arbeitsbedingungen geraten, die sie zum Handeln herausfordern. Dabei geht es immer um die Frage: Welche Konsequenzen hat mein Handeln, wenn ich einen bestimmten Weg auswähle, um die Zwickmühlen-Situation zu beenden?
Yvonne Grüner: Da ist zum Beispiel die Mutter, die in eine schwierige Situation geraten ist und nun die Erziehenden bittet die Betreuung des Kindes zu übernehmen, obwohl dieses kränkelt. Oder das Kind, das die Nähe zu einer pädagogischen Fachkraft sucht, diese aber diese Nähe als schwierig empfindet. Da ist die Berufsanfängerin, in deren Angebot es ganz anders abläuft, als sie geplant hat oder der Kollege, der um einen Gefallen bittet, der aber weitreichende Konsequenzen für alle Beteiligen hat und noch vieles mehr.

Wie ist das Unterrichtsmaterial aufgebaut?
Yvonne Grüner: Im Sinne der vollständigen Handlung wird zunächst die Situation beschrieben, in der sich die pädagogischen Mitarbeiter/-innen befinden. Die Studierenden sollen dann die Zwickmühle benennen und die unterschiedlichen Perspektiven der beteiligten Personen analysieren. Dazu gehört auch die eigene Sichtweise, denn die eigene Erziehung sowie Moral- und Normvorstellungen haben immer Einfluss auf unser Handeln und sollten bewusst einbezogen werden.
Petra Stolle: Als nächstes spielen die Studierenden unterschiedliche Handlungsoptionen und deren Konsequenzen für die beteiligten Personen durch, um das Ausmaß des Handelns erfassen zu können. Darauf folgt die Theorieanbindung: Die Studierenden beschäftigen sich mit dem Fachwissen zur Situation, um erst dann eine Handlungsoption zu wählen und diese Wahl fachlich zu begründen. Zum Schluss werden die Erkenntnisse zusammengefasst und offen gebliebene Fragen formuliert.

Wie können Lehrende das Buch im Unterricht nutzen?
Petra Stolle: In unserem Buch gibt es insgesamt 18 Situationen aus dem elementarpädagogischen Alltag, die unterschiedliche Möglichkeiten für den Unterricht bieten: als Impuls in einer laufenden Lernsituation, zu Beginn oder zum Abschluss einer Unterrichtseinheit oder aber als Leistungsüberprüfung.
Yvonne Grüner: Die Kopiervorlagen sind sofort einsetzbar und die von uns im Buch beschriebenen Lösungsmöglichkeiten sollen den Kolleginnen und Kollegen die Unterrichtsvorbereitung erleichtern. Ich hoffe, dass alle viel Freude daran haben werden, gemeinsam mit ihren Studierenden Lösungsideen für die Zwickmühlen zu sammeln – und uns davon berichten!
 

Yvonne Grüner (Jahrgang 1974) übernahm nach der Ausbildung zur Erzieherin mehrere Jahre die Gruppenleitung in einer Kindertagesstätte. Nach dem Studium zur Sozialpädagogin arbeitete sie fünf Jahre in einer Wohngruppe für Menschen mit Behinderung. Schließlich erfüllte sie sich mit dem Deutsch-Studium in Dortmund den Wunsch, Berufsschullehrerin zu werden. Seit 2012 unterrichtet sie die Fächer Deutsch, Pädagogik und Theaterpädagogik.

Petra Stolle (Jahrgang 1958) arbeitete nach ihrer Ausbildung zur Kinderpflegerin in einem Kindererholungsheim auf Spiekeroog und in einem Kleinstheim in Bad Essen. Nach dem Studium zur Dipl. Sozialpädagogin war sie zunächst wieder in einem Kleinstheim tätig, ehe sie die Gruppenleitung und später die Gesamtleitung in einem Kindergarten übernahm. Seit 1998 unterrichtet Petra Stolle Pädagogik, Theaterpädagogik und begleitet die Praxis der Studierenden.